Karl Nehammer im ÖAAB-Interview
In einem exklusiven Gespräch spricht Bundeskanzler Karl Nehammer über die aktuellen Herausforderungen und Zukunftsperspektiven für Österreichs arbeitende Menschen. Als Bundesparteiobmann der Volkspartei erläutert er seine Vision für ein starkes Österreich und thematisiert Steuerentlastungen, das Verbrennerverbot, die Förderung von Eigenheimen und ein nachhaltiges Gesundheitssystem. Nehammer gibt einen Einblick in die Umsetzung der Ziele und wie er die Herausforderungen der Gegenwart in Chancen für die Zukunft verwandeln will.
ÖAAB: Herr Bundeskanzler, wie wollen Sie sicherstellen, dass arbeitenden Menschen am Ende des Monats mehr im Geldbörsel übrigbleibt?
Karl Nehammer: Es ist ganz einfach: Alle, die arbeiten gehen, müssen mehr davon haben als bisher. Es wird immer viel von sozialer Gerechtigkeit gesprochen, das ist auch in Ordnung. Es braucht aber auch Leistungsgerechtigkeit. Jede Form der Leistung und der Anstrengung, jede Arbeitsstunde und jede Überstunde muss am Ende des Monats einen Unterschied am Lohnzettel machen. Mehr Netto vom Brutto ist meine Devise. Daher sollen Überstunden künftig zur Gänze steuerfrei sein, ein jährlicher 1.000-Euro-Vollzeitbonus eingeführt und der Steuersatz in Höhe von 48 Prozent gestrichen werden. Außerdem habe ich in meinem „Österreichplan“ vorgestellt, wie wir die Lohnnebenkosten bis 2030 um 0,5 Prozentpunkte pro Jahr reduzieren können. Das ist eine Win-win- Situation für arbeitende Menschen und für die Wirtschaft.
ÖAAB: Warum setzen Sie sich gegen das von der EU beschlossene Verbrennerverbot ein?
Karl Nehammer: Das Verbrennerverbot ist der falsche Weg. Ja zum Auto heißt Ja zu einer starken Wirtschaft, zu Arbeitsplätzen und Wohlstand. Für mich ist klar: Wir werden das Auto auch in Zukunft brauchen. Dabei dürfen wir uns nicht auf eine einzige Antriebsform beschränken. Ganz im Gegenteil: Es darf keine Denkverbote geben, wie das Auto der Zukunft angetrieben wird. Es braucht Technologieoffenheit statt Rückschritt durch Verbote.
ÖAAB: Die Frage der Kinderbetreuung wird immer heiß diskutiert.
Karl Nehammer: Für mich steht die Wahlfreiheit von Eltern im Vordergrund: Es geht darum, dass Frauen selbst entscheiden können, wie schnell sie nach der Geburt eines Kindes wieder in den Beruf einsteigen und wie ihr individuelles Familien- und Lebensmodell aussehen soll. Die Frage, ob Eltern arbeiten gehen können, darf nicht an fehlender Kinderbetreuung scheitern. Bis 2030 investieren wir deshalb 4,5 Milliarden Euro in die Kinderbetreuung in Österreich.
ÖAAB: Viele Menschen sagen, dass sich eine Vollzeitstelle gar nicht mehr lohnen würde und arbeiten lieber in Teilzeit. Was sagen Sie diesen Menschen?
Karl Nehammer: Ich kann ihre Argumente nachvollziehen: Die Steuern auf Arbeit sind in unserem Land zu hoch. Und daran müssen wir etwas ändern! Nicht umsonst habe ich in meinem Österreichplan das Thema Leistung an zentrale Stelle gesetzt und Maßnahmen erarbeitet, wie wir die Steuerquote senken können und für die arbeitenden mehr Netto vom Brutto möglich wird. Für mich ist klar: Fleiß gehört belohnt und nicht bestraft.
ÖAAB: Was wollen Sie tun, damit der Traum vom Eigenheim wieder für mehr Menschen in Erfüllung geht?
Karl Nehammer: Vor allem junge Menschen und Familien brauchen eine realistische Perspektive für ein Eigenheim, egal ob Wohnung oder eigenes Haus. Mein Ziel ist es, die Eigenheimquote in Österreich bis 2030 von 48 auf 60 Prozent zu heben. Eigentum bedeutet Freiheit und jeder, der sich sein Eigenheim schafft, hat ein Stückchen mehr Freiheit für sich selbst gewonnen. Deshalb wollen wir in Österreich einen staatlich besicherten Wohnbaukredit einführen, zudem wollen wir alle Gebühren und Steuern beim Kauf des ersten Eigenheims streichen.
ÖAAB: Welche Schritte braucht es, um das Gesundheitssystem wieder auf Vordermann zu bringen?
Karl Nehammer: Obwohl Österreichs Gesundheitssystem im internationalen Vergleich zur Spitze zählt, wurden in den letzten 15 Jahren viele Entwicklungen verschlafen, was zu den aktuellen Problemen und Engpässen geführt hat, wie lange Wartezeiten für Behandlungen sowie die massive Steigerung von Privatärzten und ein Stagnieren der Anzahl von Kassenärzten. Als Bundesregierung haben wir bereits gehandelt, eine Gesundheitsreform angestoßen und 100 Kassenarztstellen ausgeschrieben. Es braucht aber weitere Anstrengungen. Bis 2030 will ich 800 neue Kassenarztstellen in Österreich und einen massiven Ausbau der Primärversorgungszentren.